Die wilden Bestäuberinnen – vom Aussterben bedroht 

Neue Untersuchungen der Weltnaturschutzunion IUCN zeigen ein alarmierendes Bild: Fast 100 zusätzliche Wildbienenarten Europas wurden neu als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht, eingestuft. Von insgesamt 2159 bekannten Arten wurden 1928 bewertet – und fast jede 10. Wildbienenart Europas gilt heute als bedroht. 2014 waren es noch 77 Arten, heute sind es 172.  

Besonders kritisch sei die Lage bei Hummeln. Die IUCN berichtet, dass 15 Arten – rund ein Fünftel aller untersuchten Hummelarten – mittlerweile auf der europäischen Roten Liste stehen. Sie sind unverzichtbare Bestäuber für Kulturpflanzen wie Erbsen, Bohnen, Erdnüsse, Klee, aber auch viele Wildpflanzen.

Auch manche Seidenbienenarten sind zunehmend gefährdet. Viele von ihnen sind spezialisiert und sammeln Pollen für ihren Nachwuchs nur an bestimmten Pflanzenfamilien oder -arten. Verschwinden Lebensräume und ihre «Lieblingspflanzen», verschwinden auch diese Bienen und mit ihnen oft die Pflanzen, auf die sie angewiesen sind.

Die Bunte Hummel (Bombus sylvarum) wurde früher irreführender Weise als «Waldhummel» bezeichnet, obwohl sie sich nicht im Wald aufhält. Später wurde sie aufgrund ihrer vielen Farben als «Bunte Hummel» umbenannt. Sie ist in Deutschland je nach Region unterschiedlich stark gefährdet und steht auf der Vorwarnliste. In der Schweiz gilt sie gemäss der «Roten Liste der Bienen» vom BAFU als nicht gefährdet (Stand 2022, aktualisiert 2024).
(Foto Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich)

Ähnliche Situation in der Schweiz 

Auch in der Schweiz zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Laut der Roten Liste der Bienen sind 45.6% der Schweizer Wildbienenarten bedroht. Fast 10% der einheimischen Wildbienenarten sind bereits ausgestorben, was im Vergleich zu anderen Organismengruppen alarmierend hoch ist. Weitere 58 Arten (9.4%) wurden als nahezu bedroht eingestuft. Besonders betroffen sind Blütenspezialisten, bodennistende Arten, im Sommer fliegende und im Tiefland vorkommende Arten.  

Grüne Wüsten statt Blütenmeer 

Die Gründe für den starken Rückgang von vielen Wildbienenarten und Schmetterlingen sieht die IUCN neben dem Einsatz von Pestiziden vor allem im Verlust naturnaher Lebensräume. Rund die Hälfte aller Wildbienenarten nistet im Boden oder an Hangkanten oder Wegrändern und ist darauf angewiesen im Umkreis von einigen hundert Metern ihres Nestes genug Blütenangebot für ihren Nachwuchs zu finden. Die fortschreitende Zersiedelung der Landschaft sowie landwirtschaftlich intensiv genutzte Regionen, wo viel gedüngt und Wiesen oft gemäht werden, machen es den Bienen schwer genügend Nahrung und Nistplätze zu finden. Wildbienen müssen zum Teil 50 Flüge pro Tag über mehrere Hundert Meter fliegen, um ausreichend Vorräte zu sammeln – gar nicht so einfach, wenn blütenreiche Wiesen zunehmend durch grüne «Graswüsten» ersetzt werden oder nicht gestaffelt gemäht wird und auf einen Schlag das Blütenangebot drastisch reduziert ist.  

Viele haben die eifrigen Bestäuber längst in ihr Herz geschlossen. Ohne Wildbienen und andere Insekten wie Schmetterlinge, Honigbienen, Schwebfliegen und Käfer würden drei Viertel der weltweit meistgehandelten Nahrungspflanzen und 80% unserer wilden Blütenpflanzen nicht mehr ausreichend bestäubt werden, was zu drastischen Ernteausfällen führen würde. Schokolade, Kaffee, viele Früchte und sogar Baumwolle wären betroffen. Das Zusammenspiel verschiedener Bienenarten macht’s aus. Sie ergänzen sich in ihren Leistungen, denn sie fliegen zu unterschiedlichen Tages- und Jahrzeiten, sind an unterschiedliche Wetterbedingungen angepasst und zum Teil auf andere Pflanzen spezialisiert.  

Kleine Lichtblicke

Die Bestandesaufnahmen in der Schweiz zeigen, dass reich strukturierte und extensiv genutzte Gebiete im Jura in den Alpen weiterhin viele auch seltene Arten beherbergen. Auch die Sanierung und Pflege nationaler Biotope wie Trockenwiesen oder sogar naturnahe Begrünungen in Städten bieten verschiedenen Arten Zuflucht.

Helfen Sie mit!

Jede und jeder kann etwas beitragen, mit einheimischen Blumen und Stauden (z.B. Glockenblumen, Natternkopf, Nachtkerzen etc.) und Sträuchern ein kleines Bienenparadies zu schaffen. Selbst aufgeschüttete Sandlinsen oder mit Sand und Lehm gefüllte Töpfe, Totholz und abgestorbene Pflanzenstängel sind beliebte Niststellen für verschiedene Wildbienenarten. Wer ihr «Lieblingsessen» pflanzt, kann mit etwas Glück bald selbst die kleinen Schützlinge im eigenen Garten beobachten. Wichtig ist, dass auch im nachfolgenden Jahr ein Blütenangebot parat steht, damit die frisch schlüpfenden Bienen problemlos Nahrung finden. 

Auch blühende Inseln und wilde Ecken in der Landwirtschaft sind für Bienen lebensnotwendig. Mit unserem Blühflächenprogramm unterstützen wir Landwirtinnen und Landwirte dabei, solche Lebensräume zu schaffen. Jede Spende hilft, weitere Flächen zum Blühen zu bringen.

Text: Michelle Knecht